Text folgt …

jetzt trifft er uns …
Wir treffen uns montags, seit vielen Jahren, penetrant jeden Montag.
Kurz bevor wir Gefahr laufen, irgendwo Stammgast zu werden, also wiedererkannt zu werden, wechseln wir das Etablissement. Beständig sind wir darin. Beständigkeit als permanente, penetrante Selbstvergewisserung. Es lohnt sich: Wir sind immer noch dieselben.
Wir sind doch immer noch dieselben?
Sind wir überhaupt noch dieselben?
Wer sind wir eigentlich wirklich?
Diesen Montag sind wir Wayne oder Kevin Coyne, der Dalai Lama, Shaun Ryder oder Iniesta. Nächsten Montag könnten wir Ian Curtis sein.
Thomas malt sich fünf Jahre lang selbst, penetrant jeden Monat, mit Farbe auf Leinwand. Er vergewissert sich seiner selbst, immer wieder, in wechselnden Settings, in wechselnden Rollen, in wechselnden Formaten, mit abgründigem Ernst und gleichzeitiganarchischem Frohsinn. Und immer mit unbändiger Lust: Wer bin ich gewesen? Wer bin ich gerade? Wer könnte ich gewesen sein? Wer könnte ich noch sein werden.
Gleichzeitig beständig, unverwechselbar in Farbe, Form, Ausdruck. Alles, was wir tun müssen, ist, montags zu kommen. Und wir kommen. Dann sind wir wir. Immer wieder. Das ist unser Lohn. Sich jeden Montag zu treffen, ist wie eine alte und neue Lieblingsplatte gleichzeitig zu hören. Alles, was Thomas tun muss, ist, sich jeden Monat selbst zu malen. Und er malt sich. Fünf Jahre lang. Kompromisslos. Dann ist er er. Das ist sein Lohn.
Seine Portraits beschwören die gleichen Geister, die Montagsgeister: Sehnsucht, Energie, Lebenslust, Schmerz, Vertrautheit, Fremdheit, Unsicherheit, Wucht, Zärtlichkeit, Unabhängigkeit, Abhängigkeit, Licht, Dunkelheit, Freundschaft, Liebe.
Wie gern haben wir daher montags den neuesten Entwurf oder das fertige Bild in Augenschein genommen, diskutiert, gedeutet. Jetzt ist das letzte dieser Bilder gemalt. Es ist beinahe so, als würden wir uns montags nicht mehr treffen – undenkbar. Urs Weyerke, 2017 Ja liebe Urs jetzt geht es mit Dir
und euch weiter …
Im Jardin des Plantes, Paris
Rainer Maria Rilke, 6.11.1902, Paris
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.
Grüner Daumen
Thomas
grünes Gras, andere Seite
immer grüner
Fauna und Flora
zwischen Wein und Öl
kochen gelernt
dolce Vita auf offenem Feuer
Geschmack von Erde und Rauch
schläfst wie ein Faun
unter einem Lieblingsbaum
ci vediamo
grüner Faun
Ich bin ich, ich bin nicht Du, ich bin nicht wir. Ich bin ich.
Der Nächste, den ich anspreche ist das Individuum, der ist das Du,
und das Du kann zum wir werden, aber es kann nie ein wir alleine geben,
denn das wir setzt sich immer aus vielen Du zusammen,
das ist für mich das Wichtige …
Annette 19.12.2021
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